Freitag, 11. Januar 2019

Mal nicht müssen müssen

Ich hab mich mit diesem Blogpost sehr sehr schwer getan, deshalb hat er auch so lange auf sich warten lassen. Wer mir hier länger schon folgt weiß, dass das Verhältnis zu meiner "Ursprungsfamilie" etwas schwierig ist. Lange hatten wir gar keines, haben dann über Erbstreitigkeiten mit der mütterlichen Seite wieder etwas zueinander gefunden und jetzt ist es - keine Ahnung, wie man es nennen würde. Definitiv kein normales familiäres Verhältnis zwischen Eltern und (erwachsenem) Kind aber auch kein abgebrochener Kontakt, irgendwas dazwischen. Auf Deutsch: ich schicke Mails und bekomme eine Antwort. Ich rufe sie an, man plaudert. Ich rufe sie an, man plaudert. Ich rufe sie an - das Musical.
Damit hab ich mich arrangiert, ich lebe hier einfach ein Leben, von dem sie nichts wissen, das sie aber im Endeffekt auch nichts angeht und sie vermutlich (auch wenn sie das Gegenteil behaupten) nicht interessiert. Sie haben mich hier nie besucht, vor 5 Jahren haben wir uns das letze Mal gesehen (und wenn ich sage: das letzte Mal, dann meine ich DAS LETZTE MAL).
Aber momentan halte ich den Kontakt zu ihnen hauptsächlich, weil ich nur über sie erfahre, wie es meiner Oma geht. Auch Oma habe ich zuletzt vor 5 Jahren gesehen, zwischendurch noch ein paarmal gesprochen, aber das Gespräch war so fies, dass ich keine Lust auf weitere hatte.
Mit Oma (und meinem Opa) war ich mein Leben lang sehr eng verbunden. Als Schüler bin ich jeden Tag zum Essen zu ihnen, da sie nur wenige Häuser von meiner Schule weg gewohnt haben. Später hatte ich ja in Horb gearbeitet und war immer noch oft bei ihnen, bin auch gerne mal mit ihnen zum Einkaufen gefahren. Aber natürlich gibt es (wie immer) ein ABER in der Geschichte.
Oma war zeitlebens das, was ich in ihren Augen nie war: fleißig, ordentlich, halt einfach eine tolle Haus- und Ehefrau. Gerne fingen ihre Sätze mit "Du musst doch" an: "Du musst doch aufräumen", "Du musst doch putzen" oder "Du musst doch arbeiten gehen". Bis hin zu "Du musst doch deine Wäsche getrennt waschen" und das dann auch noch mehrmals die Woche. An guten Ratschlägen zu meinem ihr gänzlich fremden und unbekannten Leben sparte sie nie.
Dabei wusste sie doch gar nicht, wie oft hier geputzt oder gewaschen wird. Und dass arbeiten bei mir nach dem Mobbing und der sexualisierten verbaler Gewalt bei der Neckar Chronik gegen mich nicht mehr ganz so einfach ist - egal. "Da musst du halt durch".
Oder mein Liebling: "Sei doch nicht so stur".
Und das von der Frau, die vor mittlerweile zwei Jahren von einem auf den anderen Tag aufgehört hat, sich zu bewegen. Und wenn ich sage zu bewegen, dann meine ich, sich zu bewegen. Sie bewegt ihre Arme nicht mehr, kann dadurch natürlich das Bett nicht mehr verlassen. Wieso? Das weiß keiner. Sie verweigert jegliche Untersuchung (so viel zu "sei doch nicht so stur").
Versorgt wird sie von einem Pflegedienst und meinen Eltern. Mein Onkel ist selbst so hinfällig, dass er sich nur noch mit Mühe bewegen kann. Ja, er ist krank. Das war er mein ganzes Leben lang. Aber er musste nie, so wie alle anderen mussten. Bei ihm war immer "er kann nicht", wo bei allen anderen "du musst doch" oder "stell dich nicht so an" war. Schön mit zweierlei Maß gemessen.
Was mich daran stört, wo ich doch so schön weit davon weg bin? Dass Oma immer über andere Verwandte, geschimpft und gelästert hat. Eben weil sie mit zweierlei Maß gemessen haben. Es wurden ja immer die anderen bevorzugt und sie kam zu kurz. Mag sein. Aber das, was sie macht, ist kein bisschen besser. Und kein bisschen weniger verletzend. Vor allem für mich. Denn ich habe mein Leben lang versucht, ihr zu genügen. Meine Gesundheit und im Endeffekt auch mein Leben damit aufs Spiel gesetzt. Um beim letzten Telefonat nur Vorwürfe zu hören. Und Gejammere. Unter anderem darüber, wie schwer mein Onkel es habe und wie fies meine Eltern ihn behandeln.
Völliger Realitätsverlust. Leider. Oder auch nicht leider. Ich bin da auf jeden Fall raus. And that's the end of it.
Auf Anraten meines Endokrinologen muss ich jetzt - genau NICHTS MEHR. Ich darf, muss aber nicht. Wenn nicht - dann nicht. Alles andere ist schädlich für mich. Was ich aber muss ist, mich dran zu gewöhnen, nicht zu müssen. Zu dürfen - ja. Aber müssen - nein! Müde und erschöpft sein - erlaubt! (Danke, Hashimoto!) Wenn ich nicht müde bin - Halbmarathon, ich komme! Mal auf mich selbst und meine Bedürfnisse hören ohne schlechtes Gewissen, weil ich mal nicht funktioniere. Auch mal durchhängen, statt durchmüssen. Mal sehen, wohin der Weg mich führt. Wo er mich nicht hin führt, weiß ich: zurück in den Schoß der Familie.