Montag, 21. Oktober 2019

In loving Memory

Jeder Mensch hat so seine Talente. Und meines ist offensichtlich, Nachrufe zu schreiben. Und nein, dieses Jahr wollte ich eigentlich nicht noch einen schreiben.

Lieber J.
Fast 10 Jahre ist es her, dass wir uns über eine Internet-Plattform wieder gefunden haben.
Vor ziemlich genau 5 Jahren klappte es dann endlich mit einem Treffen.
Hunderte E-Mails gingen davor und danach zwischen uns hin und her.
Und immer wieder kam ein "Ich kann und will nicht mehr. Kannst du mir helfen?". Zuletzt am 7. Oktober.
Keine Andeutung über das Wieso. Kein Hinweis auf ein Wie. Zwischen uns lagen gute 500km.
Natürlich war mir klar, dass du in Schwierigkeiten stecktest. Natürlich war mir auch klar, dass es, wie schon früher, um Geld ging. Um Geld, das ich nicht habe, und das wusstest du. Du wusstest auch, dass ich für dich immer ein offenes Ohr und eine Schulter zum Anlehnen gehabt hätte.
Dieses Mal hat es alles nicht gereicht. Ich hätte es dir so sehr gewünscht, dass du mal glücklich wirst und dass du es endlich mal schaffst, deine Finger aus halbseidenen Geschäften rauszuhalten. Aber offensichtlich hat keiner gesehen, wie krank deine Seele und deine Psyche wirklich waren. Gut versteckt hinter deinem seelenvollen Blick, deiner charismatischen, teilweise manipulativen Persönlichkeit, deinen "tollen Geschäftsideen" und "irren Plänen".

N. sprach gestern am Telefon so unglaublich liebevoll von dir und über dich. Trotz aller Verzweiflung über das Chaos mit dem du sie alleine gelassen hast. "Er war mein Herzensmensch", hat sie nicht nur einmal gesagt. Und für mich warst du der große Bruder.
Und für uns beide wirst du immer ein Mensch mit zwei Seiten bleiben, dessen Geheimnisse wohl nie gelüftet werden können, weil du sie mitgenommen hast, als du gegangen bist. Du warst auch der einzige Mensch, mit dem ich schwarze Löcher meiner Vergangenheit hätte füllen können. Der Antwort auf die Frage näher hätte kommen können, wieso wir so wurden, wie wir waren.

Und ich sitze hier, mit Tränen in den Augen und erinnere mich an die lustigen Zeiten, die wir hatten.
Wie du mir damals den alten kaputten Tacho von deinem Rennrad geschenkt hast. Du und ich, beim Skifahren auf der Hohenbergstraße, mitten in der Nacht. Im Kino (in "Asterix bei den Briten"), wie du den Billard-Tisch gebaut hast und wir stundenlang gespielt haben. Ohne dich hätte ich nie im Leben die Kadenzen oder den Generalbass im Musikunterricht gemeistert und ich werde nie wieder an die Eselsbrücke "Geh du alter Esel, hol Fische" denken können, ohne deine Stimme zu hören "Ja, du bist auch hohl" (ja, ich hatte "hohl" statt "hol" geschrieben).
Du warst mein großer Bruder, den ich nie hatte, und mein großes Vorbild. Und ich habe dich nie vergessen und oft vermisst.
Und jetzt bist du endgültig weg.

Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du da, wo du jetzt bist, Glück und Frieden finden kannst.

Da unserer beider Leben nicht unter dem besten aller Sterne standen, hier mein musikalischer Gruß für deine Reise in die Ewigkeit. Du wirst verstehen, was ich meine:


Jeg kalder dit navn, men du hører ingenting
for du er født under en ensom stjerne
En ensom stjerne
© Magtens Korridorer / Ensom Stjerne


JPW. April 1968 - Oktober 2019. RIP.