Mittwoch, 8. Oktober 2014

Wiedersehen mit dem "verlorenen Cousin"

Im Moment geht mir so vieles durch den Kopf. Samstag – da soll es vielleicht endlich soweit sein: wir treffen den „verlorenen Vetter“. Nach 18 Jahren, in denen wir uns nicht gesehen haben, vier Jahren zögerlichen Annäherns über Internet und SMS – nun soll es soweit sein? Ein Treffen? Nach so langer Zeit, nach so vielem, was passiert ist? Jetzt? Endlich?
Um es mit den Worten vom Haigerlocher Opa zu sagen: Wo ist nur die Zeit hin? Und, als wäre es irgendwie ein Omen – wir treffen uns in seiner Heimatstadt Köln. 2 Tage nach dem Tag, an dem seine Frau 101 Jahre alt geworden wäre. Wow. So viel Mystik. Oder Zufälle. Wie man’s lieber mag.
Aber mir fallen, wie bei Reinhard Mey, zahllose Bilder ein.
Wie du mir damals den alten kaputten Tacho von deinem Rennrad geschenkt hast? Wie ich ihn mit einer Schnur um den Lenker von meinem Dreirad gebunden habe und Runde um Runde durch Omas Küche, den Flur und das Esszimmer gedreht habe? Bis ich völlig außer Atem und der Lenker vom Dreirad komplett zerschrammt war?
Du und ich, beim Skifahren auf der Hohenbergstraße mitten in der Nacht. Beim Schotter klauen beim Bau-Unternehmer, weil es mitten in der Nacht so spiegelglatt wurde und weder Sand noch Salz im Haus war. Und wie Herr H. uns nach gegangen ist.
Weißt du noch, wie wir zusammen das Iglu gebaut haben? Mit Reiner? Oder die Hütte? Wie du mich am Sportplatz getroffen hast und wir zusammen zu Oma nach Hause gingen, damals, als ich den Arm in Gips hatte? Seither hasse ich Tiefkühl-Champignons, weil Oma die an dem Tag gekocht hat und alles so fies danach roch!
Aber auch, wie du am ersten Weihnachtsfeiertag im jugendlichen Übermut eine Spielzeugpistole (ein sinniges Weihnachtsgeschenk deiner Eltern) direkt neben meinem Ohr abgefeuert hast. Und wie ich dafür den Ärger von der Mutter bekommen hatte? Wie du mich auf dem Tennisplatz wie ein kleines Kind behandelt hast und lieber mit einem Kumpel gespielt hast, als mit mir.
Wie sehr ich dich bewundert habe, weil du schon immer cool warst, schon zu einer Zeit, wo man noch gar nicht „cool“ war. Du wirst in meinen Gedanken immer der schlacksige Junge sein, der mit der Kamera um den Hals mit uns auf dem Lochen war, als Thomas und ich den Keuchhusten hatten. Der so wunderbar Klavier gespielt hat. Mit dem ich Detektiv und Verstecken gespielt habe. Mit dem ich mein erstes Revell-Modell gebastelt habe, ohne den ich nie im Leben die Kadenzen oder den Generalbass im Musikunterricht gemeistert hätte.  
Du warst mein großer Bruder und mein großes Vorbild. Und ich habe dich sehr vermisst. Erst, als du zum Bund gingst, dann, als du studieren gingst, geheiratet hast und zuletzt, als sich unsere Wege endgültig trennten. Du warst erwachsen und ich habe nie mehr was von dir gehört. Ich war nicht zu deiner Hochzeit eingeladen, du warst bei meiner Konfirmation nicht mal so fair, selbst abzusagen, sondern hast es nur ausrichten lassen. Nett war das nicht. Und trotzdem – ich habe oft an dich gedacht. Mehr zufällig haben wir uns am Omas Krankenbett in Stuttgart getroffen. Wollten in Kontakt bleiben. Und beim „Wollen“ ist es auch geblieben.

Und jetzt, 18 Jahre später- haben wir uns wieder gefunden. Was draus wird steht in den Sternen. Ich wollte nur, dass du das hier weißt. Und dass du weißt, dass du mir gefehlt hast. Und dass ich dir alles Gute wünsche, egal, wie unser Treffen ausgeht.